Norman (III)

Mitten im Raum liegt sein Dasein, fast nackt. Ein T-Shirt in zerfetzten Hauttönen hängt noch um dunkle Schultern und Bizeps, aber schon zwischen den starren Brustwarzen löst es sich in schmutziges Rosa auf und zerfließt mit der Hüfte in ein schwarzes Nichts, aus dem nur noch der eine angewinkelte, intakte Oberschenkel ragt. Zähflüssiger, vergossener Teer, das ist geblieben von dem entblößten Mann, den Norman seit Minuten unverwandt anstarrt. Auf der fast leeren Seite seines Notizbuches bläht sich Normans erster Satz zum Phantom auf. Bis zu welchem Grad der Entstellung bleibt ein geliebter Mensch noch ein geliebter Mensch? Norman sieht auf. Es ist Frühsommer. Er sitzt an seinem Bistrotisch, die Beine überschlagen, die Füße in warm schimmernden Lederschuhen. Er kennt sich hier aus. Nur selten trifft er an diesem Platz einen Bekannten, meist bleibt er allein. Er verweilt, schaut und schreibt ein wenig in sein Cahier. Passanten schlendern vorbei und manchmal schaut er direkt in das dunkle Augenpaar eines Mannes. Als er über sein Smartphone streicht, leuchten die Antworten zu seinem Foto auf. Norman lächelt. Er liest noch einmal den Satz: Mitten im Raum liegt mein Dasein, fast nackt. So kann er sein Leben weiter schreiben. Er muss sich nicht ergießen.

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