“… I felt there was a much deeper connection with the people I photographed. It became a personal thing to me first, then it became a way of telling a story about somebody who nobody knows. You will be the one bringing the person forward, bringing the story forward.” Otis Kwame Kye Quaicoe
Somebody who nobody knows
Who are you?
You mark your subdued presence with two red buoys. Easily, they float on muddied canal waters as if you have just snatched them from a balloon vendor and fixed them to your waist belt before you took a dive. Do they imitate your secret wanderings? Or are they just tracking your underwater operations?
Watching your giant breathing bubbles I tend to imagine you as an anomally big city surgeon – which scares me.
Im Personalgeschäft lehrten zwei Phänomene die Hamburger Schulleiterinnen und Schulleiter ab 2010 das Fürchten: ein Stellenüberhang mit dem Namen „Lehrerberg“ und ein Generationswechsel, der sich als „Pensionierungswelle“ ausgab. In einer Kleinen Anfrage sorgte sich die SPD Fraktion darum, ob man für alle die Lehrer und Lehrerinnen, die in absehbarer Zeit in den Ruhestand treten würden, überhaupt genügend junge und gut ausgebildete Bewerber finden werde. In der Tat, dieser Generationswechsel in der Hamburger Lehrerschaft erwies sich als enorme Herausforderung im Personalgeschäft. Aber Jahr um Jahr wurde das Kollegium in der eigenen Schule jünger, der „Berg“ schrumpfte zum Hügel und, obwohl man sich selbst nicht wirklich als Teil der „Welle“ wahrgenommen hatte, wurde man bereits des Öfteren gefragt, wann man denn selbst „dran sei“. Wie bitte? Was für eine Zumutung! Mitten aus einem ereignisreichen Leben will man dich in einen Zustand der ewigen Ruhe befördern? Denn so verheißt es ja das offizielle Etikett ‘Ruhestand‘ für all jene, die sich jenseits des sechzigsten Lebensjahrs befinden, also auch für DICH! Ruhestand – das entspricht so gar nicht deiner ‚Work Ethic‘, mit der es nach 41 Berufsjahren plötzlich vorbei sein soll. Da hilft es auch nicht, wenn die 15-20 Jahre jüngeren Arbeitskollegen den Ruheständlern in spe einen munteren „Unruhestand“ wünschen und zum Abschied einen Campingstuhl überreichen oder einen Kultur- und Wanderatlas für die deutschen Mittelgebirge. An einem 31. Januar ist es schließlich auch für dich soweit, du packst nach einer wunderbaren Abschiedsfeier die freundlichen Gaben von Eltern, Schülern und Kollegium zusammen und machst die Schultür hinter dir zu: Es ist vollbracht! Vor dir liegt der Ruhestand, dieser unbekannte Zustand, aus dem es kein Zurück gibt.
II
In ihrem Bericht „A Journey through Retirement” (2021) verweist die Autorin Anna Rappaport auf mehre extensive sozialwissenschaftliche Studien von Versicherungsexperten, wonach sich bei Ruheständlern bzw. Ruheständlerinnen drei Phasen herausschälen: 1. Phase: Go-go, 2. Phase: Slow-go und 3. Phase: No-go. (1 ) Die erste Erkenntnis, dass nämlich der Übergang in den ‚Ruhestand‘ die Wahrnehmung des eigenen unausweichlichen Alterungsprozesses vertieft, ist evident. Dass aber das eigene Leben durchaus nicht stehen bleibt und schon gar nicht in einem „Zustand“ verharrt, fand ich sehr treffend mit der Bezeichnung „Go-go“ zum Ausdruck gebracht, denn Bewegung und Aufbruch kennzeichnen viel eher den Weg in die Zeit nach dem Arbeitsleben. Am ersten Tag des Ruhestands ist man – oh Wunder- mental und körperlich vollständig unverändert und kann loslegen: Go! Und das hieß für mich genau das, was es auch für die vielen kanadischen und US-amerikanischen Ruheständler aus der oben erwähnten Studie hieß: „ … pursuing a dream that was not possible before retirement.“ Ich wollte wandern (in Bayern), schreiben (einen Blog), Sport intensivieren (Ruderverein) und ehrenamtlich tätig werden (Flüchtlingshilfe). Bei den nächtlichen Diensten für gestrandete syrische Flüchtlinge, die in den Räumen der Caritas am Mariendom ein Nachtlager, Verpflegung, und Fürsorge fanden, fragte ich mich, wie all diese heimatlosen Erwachsenen jemals die Sprache ihres Aufnahmelandes erlernen sollten. Ich selbst hatte Mühe, mir wenigstens 10 arabische Wörter für die notwendigsten Dinge zu merken.
III
Aus diesen eindrücklichen Erlebnissen erwuchs mein Wunsch, in der Erwachsenenbildung tätig zu werden, und so landete ich über Bekannte beim Bereich Sprache und Integration der Grone- Stiftung. Nachdem ich mich schriftlich mit Lebenslauf und Leistungsnachweisen beworben hatte, dann auch zügig die Lehrbewilligung vom BAMF erhalten und in einer Grundschule in 1. und 2. Klassen hospitiert hatte, stand ich an einem freundlichen Novembermorgen vor „meinem“ Alphabetisierungskurs: 14 Männer und Frauen im Alter von 23-63 Jahren aus Eritrea, dem Irak und Syrien. Keiner von ihnen beherrschte die lateinische Schrift, keiner konnte Deutsch sprechen oder verstehen. Vor ihnen die Lehrerin, die von ihren 10 Wörtern Arabisch nur noch Sukran – Danke behalten hatte. Wir haben uns sehr neugierig beäugt und beiderseitig zeigte sich freudiges Interesse, wie das wohl gehen würde mit uns und der deutschen Sprache. In diesem Deutschkurs auf dem langen Weg bis zur ihrer Sprachprüfung Niveau A2/B1 „meine Lehrerin“ zu sein, gehört zu meinen schönsten Unterrichtserfahrungen – und das im Ruhestand!
IV.
Wie ich in der Studie nachlesen konnte, kommt es häufig vor, dass Ruheständler sich in bezahlten oder auch unbezahlten Beschäftigungen in Teilzeit engagieren. Sie greifen dabei auf Kompetenzen (“skills“) aus ihrem Arbeitsleben zurück, erschließen sich aber auch gerne neue Gebiete. Dieses Erlernen von etwas Neuem, welches an die eigene Professionalität andocken kann, ist nicht nur persönliche Bereicherung, sondern eröffnet auch ungeahnte Perspektiven, die man unter den strikten Zeitvorgaben des Berufslebens nicht entdecken konnte. In meiner „Go-go“- Phase habe dagegen ICH die Zeithoheit über das, was ich anpacken und umsetzen will – ein Zustand, den ich nicht mehr missen möchte. Also habe ich Frieden geschlossen mit meinem Ruhestand. Allerdings finde ich kaum Zeit, weiter über „Slow[1]Go“ und „No-Go“ nachzudenken. Warum auch?!
(1) Anna Rappaport. The Journey through Retirement. PDF unter www.soa.or
Der Artikel erschien in der Zeitschrift Hamburg Macht Schule01/2022 (www.hamburg.de/bsb/hamburg-macht-schule)
Mitten im Raum liegt sein Dasein, fast nackt. Ein T-Shirt in zerfetzten Hauttönen hängt noch um dunkle Schultern und Bizeps, aber schon zwischen den starren Brustwarzen löst es sich in schmutziges Rosa auf und zerfließt mit der Hüfte in ein schwarzes Nichts, aus dem nur noch der eine angewinkelte, intakte Oberschenkel ragt. Zähflüssiger, vergossener Teer, das ist geblieben von dem entblößten Mann, den Norman seit Minuten unverwandt anstarrt. Auf der fast leeren Seite seines Notizbuches bläht sich Normans erster Satz zum Phantom auf. Bis zu welchem Grad der Entstellung bleibt ein geliebter Mensch noch ein geliebter Mensch? Norman sieht auf. Es ist Frühsommer. Er sitzt an seinem Bistrotisch, die Beine überschlagen, die Füße in warm schimmernden Lederschuhen. Er kennt sich hier aus. Nur selten trifft er an diesem Platz einen Bekannten, meist bleibt er allein. Er verweilt, schaut und schreibt ein wenig in sein Cahier. Passanten schlendern vorbei und manchmal schaut er direkt in das dunkle Augenpaar eines Mannes. Als er über sein Smartphone streicht, leuchten die Antworten zu seinem Foto auf. Norman lächelt. Er liest noch einmal den Satz: Mitten im Raum liegt mein Dasein, fast nackt. So kann er sein Leben weiter schreiben. Er muss sich nicht ergießen.
Normans Café ist nirgendwo, eine Utopie sozusagen. Es ist nur ein Schauplatz in seinem inneren Film, aber das Atmosphärische muss zu ihm passen. Er rückt einen dritten Stuhl dicht an den Tisch heran und platziert dort – wie unabsichtlich – seine hirschbraune Ledertasche. Man sieht sie nur halb, aber das weiche Leder und der kräftige Schulterriemen fallen ins Auge. Die stoffliche Würde der Dinge, darüber denkt er viel nach, dazu möchte er schreiben. Seine Taschen sind ihm so lieb und teuer, wie es bei anderen Männern das Fahrrad oder das Auto ist. Er umhegt seine Taschen als wären sie Lebewesen. Er achtet ihre Formen, schützt sie gegen ungünstige Witterung und sucht die Utensilien, die darin getragen werden, sorgfältig aus. Niemals würde er hastig eine Tasche überladen. Immer wieder beobachtet er in der S-Bahn, wie die oft vollgestopften Handtaschen der Frauen speckig und deformiert sind. Wie ungeliebte Kinder hocken sie da auf den Knien der Besitzerinnen.
Das vorsichtig angebissene Croissant liegt auf dem schlichten Porzellanteller, etwas dahinter die halbleere Flasche Badoit und das Trinkglas, an dem er eben noch seine Lippen hatte. Den Zuckerstreuer stellt er in den altmodischen Aschenbecher aus Glas – eine Aktion, die mancher Bistrobesucher wiedererkennen wird und die verrät, dass er Nichtraucher ist. Ein wichtiges Signal, denn man darf gern wissen, dass er keine schmutzigen Angewohnheiten hat.
Im Vordergrund aber liegt – inmitten der etwas kühlen Kulisse – Normans Herzensding: ein Notizbuch in der Mode der Wiener Werkstätten. Es ist in hellblau aquarelliertes Kunstpapier eingefasst und trägt die Aufschrift „PRÈT-À-ÉCRIRE“.
Norman tritt zwei Schritte zurück, betrachtet sein Arrangement auf der Bildfläche seines Smartphones, sucht noch einen besseren Blickwinkel und löst aus. Er prüft das Foto, freut er sich kurz über den zusätzlichen Effekt, den das Weiß der Stoffserviette mit der rostroten Tischplatte ergibt, und sendet das Bild in seine virtuelle Welt. Dann darf er ganz für sich sein.
Norman ist ein gepflegter Mann. Für ihn muss alles frisch sein, so wie Wäsche, die an einer Leine im Garten trocknen durfte. Er liebt Opern, die den Schmutz der Männer in Schönheit zerfließen lassen. Aber aus der Entfernung sehnt er sich nach der Verkommenheit der Metropole, in der er lebt: den Staßendreck, die beschmierten S-Bahn Waggons, die kaputten Typen in den No-go-Parks.
Zweimal in der Woche sucht Norman ein Café auf, um die Zeit zwischen zwei Seminaren stilvoll zu verbringen. Das gute Leben im Alltäglichen bedeutet ihm viel. Obwohl es schon Mittagszeit ist, bestellt er immer das Petit Déjeuner von der Karte, mit Café au Lait, Croissant und roter Marmelade. Er mag die französischen Ausdrücke, das passt zu seiner inspirierten Lebensart. Ohne Esprit, diesen erfrischenden Hauch, würde ihm das tägliche Einerlei zur Last werden.
Eigentlich liegt Norman nicht viel an einem Croissant. In Wirklichkeit kommt er hierher, um sich zu sammeln und seine Gedanken zu notieren. Am liebsten tut er das im Freien, für sich allein an seinem rostrot-lackierten Bistrotisch. Wenn er alle Utensilien seines guten Lebens beisammen hat, macht Norman ein Foto davon, sozusagen als Startschuss für sein Schreiben. Jetzt muss er kichern, weil er die Assoziation vom Startschuss zum Schreiberguss wieder einmal nicht unterdrücken kann. Aber so will Norman nicht schreiben, er will sich nicht ergießen. Seine Texte wünscht er sich kühl und klar wie frisches Wasser.
Autumn sunlight is illuminating a spectacle of decay. In spring and summer bumblebees and larks sang along with the bright blossoms in any shade of colour. But by now all have left the gardens, parks and orchards. There is no singing in autumn. The reds and yellows of foliage are silent ones.
Birds are gathering for their flight southwards and only the crows’ croaking bids them good-bye. Leaves have metamorphed into bodiless forms and hover as colourful spheric lights in the branches . You’re gazing at them, trying to hold on to these pretty images. Still, they only seem to be waiting for the split-second to float down and decay on the wet earth. Later, rain clashes with a harsh clang against the barrenness of wood.
Who is left to sing the autumn opera of oranges, yellows and reds before they turn into a brownish mesh along the roads and in the paths?
Autumn is the time of separation, a season of absolutely no return. Here and there, a poet will lament his many losses. From his window, he will stare for long hours at the shiny black birds which overnight have assembled in great numbers on the bare branches of the old lime tree.
“I was born in September, and love it best of all the months. There is no heat, no hurry, no thirst and weariness in corn harvest as there is in the hay. If the season is late, as is usual with us, then mid-September sees the corn still standing in stook. The mornings come slowly. The earth is like a woman married and fading; she does not leap up with a laugh for the first fresh kiss of dawn, but slowly, quietly, unexpectantly lies watching the waking of each new day. The blue mist, like memory of a summer gone, never goes from the wooded hill, and only at noon creeps from the near hedges. There is no bird to put a song in the throat of morning; only the crow’s voice speaks during the day. Perhaps there is the regular hush of the scythe – even the fretful jar of a mowing machine. But next day, in the morning, all is still again. “
Months ago I walked through the fading yellows of late October and as rapidly as they had been washed away into the gutters of mid-November I had forgotten them.
Early November Artefact
By Christmas, with all its never-ending candlelight, my eyes had grown tired from watching flickering flames. After New Year and all through the month of January I calmed down with the soothing yellow of an Italian cushion.
Lush Italian Cushions
In February, I started buying lemons from Turkey, just to stare at their yelling yellows. But as much as I begged they wouldn’t stay until spring and so I consumed the lemons instead.
The Yelling Yellow of Lemons
When in March all the flowershops sold tulips from Dutch hothouses I took down the still-life leaning behind some diaries against the wall on my bookshelf. With the coming and going of the seasons I had forgotten about the four yellow tulips and their promise of spring.
Yellow Tulips (Oil on canvas)
I inhaled the sweeping return of light which was orchestrated by stormy, brown brushstrokes against the background of earth and I went out for a first spring walk.